„In Pirmasens hält mich nichts“
Sie sind die Zukunft der Stadt: die Jugendlichen von Pirmasens. Aufgewachsen in einer Stadt, die immerzu als abgehängt beschrieben wird. In der die Arbeitslosigkeit hoch ist und die Lebenserwartung niedrig. In der viele Geschäfte schließen und wenig neue eröffnen. Das ist zumindest der Blick von außen. Doch wie sehen die Jugendlichen das selbst? Was gefällt ihnen, was nicht? Wollen sie bleiben oder gehen? Vor allem Schüler kurz vor dem Abschluss stellen sich diese Fragen. Hier kommen sie zu Wort.
Patrick Slabowski (Leibniz-Gymnasium): „Etwas, das in Pirmasens besonders schön ist, fällt mir gar nicht ein. Wenn ich etwas hervorheben müsste, wären es die Wanderwege rund um die Stadt im Pfälzerwald. Die finde ich sehr schön. Aber sonst ist es einfach so ein Gefühl, dass alles in Ordnung ist. Ich komme ja auch von hier und bin deshalb gerne hier. Nach der Schule mache ich deshalb erst meine Ausbildung zum Polizisten. Das geht im Mai dieses Jahres schon los. Und wenn ich fertig bin, komme ich, wenn möglich, wieder zurück. Was sich bis dahin ändern sollte, wäre der Leerstand. Das wirft schon ein schlechtes Licht auf Pirmasens, wenn so viele Häuser verfallen.“
Kim Schneider (Hugo-Ball-Gymnasium): „Nach dem Abitur werde ich eine Ausbildung am Finanzamt machen, in Edenkoben und Kaiserslautern. Das ist ja nicht so weit, da kann ich weiter in Pirmasens wohnen. Nach der Ausbildung will ich auch hier arbeiten. Mir gefällt, dass wir mitten im Pfälzerwald sind. Im Freundeskreis gehen wir öfter wandern oder setzen uns an Aussichtspunkte. Das kann man schon genießen. Dass wir inzwischen selbst Auto fahren dürfen, ist natürlich gut. Sonst wäre es hier ja schwierig von A nach B zu kommen. Abends fahren keine Busse mehr, tagsüber vielleicht einer pro Stunde. In der Innenstadt merkt man das, die ist bis auf ein paar Leute tot.“
Betül Güneysu (Landgraf Ludwig Realschule Plus): „Wenn ich fertig mit der Schule bin, will ich mein Abitur machen. Und dann auf jeden Fall weggehen, in eine Großstadt. Ich würde gerne Hebamme werden oder was mit Kindern machen. Jobs gibt es hier schon, aber nicht das, was ich will. Ich kann mir auch nicht vorstellen, zurückzukommen. Ich mag Pirmasens einfach nicht. Mir fehlen hier zum Beispiel Läden zum Shoppen. Ich weiß gar nicht so wirklich, was es an Freizeitangeboten für junge Leute gibt. Das Jugendhaus, aber da gehe ich kaum hin. Den Strecktalpark gibt es noch, aber mehr nicht. Es ist jedenfalls nicht genug.“
Paul Faass (Leibniz-Gymnasium): „Grundsätzlich ist das Leben in Pirmasens ganz gut. Aber die Stadt ist doch ziemlich verlassen. Zum Beispiel in der Fußgängerzone, in der wenig los ist. Außerdem trifft man schon unheimliche Gestalten auf der Straße. Manchmal sieht man heftige Auseinandersetzungen oder Schlägereien. Da fühlt man sich natürlich nicht so wohl. Deshalb wegziehen würde ich aber nicht. Ich wollte eigentlich schon hier blieben, nur mit der Ausbildung ist es einfach schwierig. Ich habe in der Schule Informatikleistungskurs. Das macht Spaß, also würde ich es gerne vertiefen. Entweder in einer Ausbildung, um das Fachs auch praktisch zu lernen, in Zweibrücken an der FH oder in Kaiserslautern.“
Alina Zwenger (Landgraf Ludwig Realschule Plus): „Mir gefällt nicht, dass am Exerzierplatz Leute sind, die mit ihrem Alkohol, den Drogen und dem Rauchen die ganze Stadt zumüllen und andere Leute dumm anmachen, obwohl sie ihnen nichts getan haben. Ich bin da nicht oft, ich werde zur Schule gefahren. Damit ich nicht an diesem Ort sein muss. Mir fehlt hier die Gemeinschaft für die Jüngeren. Es gibt zwar das Jugendhaus, aber ich finde, das ist zu wenig. Man sollte mehr Plätze schaffen, wo Jugendliche sich treffen können. Ein bisschen habe ich es immer in mir gehabt, wegzugehen. Ich habe mich für eine Ausbildung zur Krankenschwester beworben, auch in Städten wie Frankfurt und Stuttgart, wo ich dann weg von Pirmasens wäre. Andererseits würde ich schon gerne hierbleiben, weil ich hier aufgewachsen bin, meine ganze Verwandtschaft lebt hier. Ich könnte mir vorstellen, wieder zurückzukommen, wenn ich hier eine Stelle als Krankenschwester finde.“
Paula Rinck (Hugo-Ball-Gymnasium): „Ich mag an Pirmasens, dass es mitten im Wald liegt. Außerdem ist es nicht so übertrieben groß und man ist schnell überall. Natürlich ist es nicht so, dass man jeden Abend etwas anderes machen kann. Es reicht schon, um mit Freunden etwas trinken zu gehen, aber manchmal ist es eintönig. Nach dem Abitur will ich erst einmal weg. Ich habe mich als Flugbegleiterin bei der Lufthansa beworben, weil ich die Welt sehen will. Und davor mache ich mit einer Freundin eine Backpacking-Tour. Was die Alternative zur Flugbegleiterausbildung wäre, ein Studium oder eine andere Ausbildung, weiß ich nicht genau. Man hat auch in Pirmasens als Schuhstadt Möglichkeiten. Wenn die Perspektive stimmt, würde ich wieder zurück kommen.“
Nico Sheryff (Leibniz-Gymnasium): „Ich lebe ganz gerne hier. Es ist überschaubar und man kennt die Menschen, das mag ich. Nicht so gut finde ich, dass es hier viele heruntergekommene Leute gibt. Da muss man manchmal aufpassen, wo man hingeht. Mir gefällt auch nicht, dass viele die Stadt immer so schlecht reden. „Es geht ja sowieso nichts“, sagen die immer – und dann geht auch wirklich nichts. Nach dem Abitur will ich auf jeden Fall weg hier, ich will was von der Welt sehen. Ich mache Thaiboxen und würde deshalb gerne nach Thailand. Danach möchte ich Politikwissenschaft studieren, wo genau weiß ich noch nicht. Zurückkommen würde ich vielleicht im Alter, die Grundstückspreise sind hier ja sehr niedrig. Aber vielleicht gehe ich lieber irgendwo hin, wo es warm ist.“
Rebecca Mohr (Leibniz-Gymnasium): „Ich mag an Pirmasens, dass es nicht so groß ist und alles ein wenig familiärer. Was mich stört, ist besonders die Busverbindung auf die Dörfer. Ich wohne in Vinningen und am Wochenende fahren mittlerweile gar keine Busse mehr. Da ist es echt schwer, wenn man noch keine 18 ist und darauf angewiesen ist, dass die Eltern fahren. Auch den vielen Leerstand finde ich schlimm. Es machen so viele Geschäfte zu, dass es bald schwierig wird, noch einkaufen zu gehen. Nach dem Abitur möchte ich erst mal in die USA und dort Urlaub machen. Danach studieren, am liebsten in Hamburg, aber das ist leider so weit weg von meiner Familie. In Mainz gibt es den Studiengang „Migration und Integration“, das würde mich auch interessieren. Ich könnte mir vorstellen, wieder zurückzukommen. Gerade im sozialen Bereich gibt es in Pirmasens ja einiges zu tun.“
Jannick König (Landgraf Ludwig Realschule Plus): „Ich liebe die Parks in Pirmasens. Die sind immer sehr schön, vor allem der Strecktalpark. Blöd finde ich das unsoziale Verhalten von manchen Jugendlichen. Wie sie sich geben und schon früh mit Alkohol und Drogen in Kontakt kommen und sich nicht mal normal mit Leuten unterhalten können. Und wenn Diskussionen ausarten, sofort draufschlagen müssen. Ich finde, junge Leute sollten früher gefördert werden. Es sollte mehr Vereine geben und mehr Orte, wo sie miteinander reden können. Man könnte das Jugendhaus mehr in die Stadt rein verlegen und da weiträumig was aufbauen. Mein Plan ist, wegzugehen von hier. Ich würde gerne nach Landau ziehen, da könnte ich einen Ausbildungsplatz als Mediengestalter kriegen. Der einzige Grund, warum ich nochmal nach Pirmasens zurückkommen würde, wäre die Familie. Hier hält mich eigentlich nichts.“
Corinna Wagner (Leibniz-Gymnasium): „Ich wollte schon immer raus aus Pirmasens. Ich habe norddeutsche Wurzeln und hatte schon immer das Gefühl, dass ich eher in den Norden gehöre. Die Menschen in Pirmasens sind mir zu verschlossen und richten sich zu sehr nach dem Mainstream. Die Leute sollten sich mal trauen, sie selbst zu sein – und die anderen sollten das auch akzeptieren. Ich plane nach dem Abitur, Tourismuswirtschaft mit Schwerpunkt Hotelmanagement in Bonn zu studieren. Das beginnt aber erst im Oktober, bis dahin will ich Pause machen und das Leben genießen. Zurück nach Pirmasens? Auf keinen Fall!“
Brenden Wahl (Landgraf Ludwig Realschule Plus): „Ich bin insgesamt nicht so begeistert von Pirmasens. Ich finde nur, dass die Zivilcourage eigentlich ganz in Ordnung ist in dieser Stadt. Und sie sieht ganz gut aus, sie gefällt mir auf jeden Fall. Aber mir fehlt der Zusammenhalt unter den Jugendgruppen, es wird echt viel Mist gebaut. Es kommt oft zu Schlägereien und Diebstahl. Nach der Realschule will ich mein Fachabitur machen, und dann will ich nach Amerika auswandern zu meinem Onkel. Ich denke, dort kann ich mir ein besseres Leben ermöglichen. Ich fühle mich schon zu Hause hier, aber nicht so ganz sicher. Es kann schon sein, dass ich eines Tages zurückkomme, ich bin schließlich hier aufgewachsen. Man sollte nie die Stadt vergessen, aus der man kommt. Oder die Menschen, die einen dort unterstützt haben.“
Lara Henkel (Leibniz-Gymnasium): „Ich wohne im Umkreis von Pirmasens und verbringe viel Zeit in der Stadt. Ich mag vor allem den Wald und auch die vielen Pubs. Wir haben hier alles, was man braucht. Leider gibt es sehr viele heruntergekommene Menschen. Unwohl fühle ich mich zwar nicht, aber es gibt schon Gegenden, wo ich nicht so gerne hingehe. Nach dem Abitur werde ich erst mal arbeiten und Geld verdienen. Danach plane ich zu studieren, was und wo weiß ich noch nicht genau. Aus Pirmasens möchte ich aber weg, ob ich zurüc kkommen werde, weiß ich noch nicht.“
Videos: Robin Droemer, Paul Hertzberg, Imre Balzer, Anna-Sophia Lang, Vinzent Leitgeb