Carsten Schmidt hat bei Framas mit Schuhen Karriere gemacht – das geht in Pirmasens immer noch.

Berlin liegt am Rand des Pfälzerwalds. Schon von außen ist der schicke Glasbau der Firma Framas alles andere als provinziell. Wer aber Zutritt ins Innere erhält, der wähnt sich statt in Pirmasens vollends in einem trendigen Startup an der Spree. Dunkler Holzfußboden, hellbraunes Ledersofa, mitten im Raum ein Kickertisch. Daneben etwas, was so gar nicht ins Bild passt: Auf einer Werkbank liegen Feilen, Schleifpapier, ein Bandmaß – und ein eingespannter Schuhleisten aus Holz.

Was wirkt wie ein Widerspruch, hat der Firma Framas Kunststofftechnik Erfolg gebracht. Sie hat es geschafft, die Schuhtradition der Stadt in die Moderne zu tragen, aufzumöbeln und zu polieren. Heute entwickelt Framas Schuhleisten und Kunststoffteile für große Sportschuhhersteller wie Adidas, Nike oder New Balance, hat Produktionsstandorte in fünf asiatischen Ländern und den USA.

So viel Moderne will auch der Chef nicht durch Anzug und Krawatte ausbremsen. Carsten Schmidt trägt sein schwarzes Hemd locker über der hellen Hose. Seine Sneaker sind natürlich eine Sonderedition, zu Hause hat er weit mehr als hundert Paar Schuhe.

Schmidt ist Pirmasenser.  Im Januar wurde er Geschäftsführer von Framas Deutschland – mit nur 30 Jahren. Sein Beispiel zeigt, dass man hier mit Schuhen auch heute noch Karriere machen kann. „Mein erster Schuhmoment war ein Skaterschuh, den ich unbedingt haben wollte. Mein Vater hat mit mir alle Geschäfte der Hemisphäre abgeklappert, bis wir in Mannheim noch ein Paar gefunden haben“, erinnert sich Schmidt.

Als er beschloss, Schuhfertiger zu werden, hatte Pirmasens seine großen Zeiten längst hinter sich. Eltern und Bekannte erklärten ihn für verrückt: „Was willst du in der Schuhindustrie? Das wird doch nie was.“ Schmidt machte die Ausbildung trotzdem. Einen Satz hörte er immer wieder: Der Leisten ist das Herz und Hirn des Schuhs. Um dieses Formstück wird nach und nach der ganze Schuh gebaut. Noch immer zieht es Schmidt zur Werkbank. Dort wird jeder Leisten ganz analog von Hand modelliert, bevor Kameras ihn digitalisieren und Maschinen hunderte Kunststoffklone aus sogenannten Rohlingen fräsen.


Als Franz Martz die Firma 1948 gründete, war solche Technik noch weit entfernt. Nächtelang tüftelte Martz an seinen Werkstücken. Das brachte ihm den Spitznamen Dr. Leisten ein. Aus seinem Vor- und Nachnamen setzt sich auch der Firmenname zusammen. Als seine drei Söhne ins Unternehmen einstiegen, kam das „s“ hinzu. Auch der junge Adi Dassler lernte damals bei Martz das Einmaleins des Leistens.

Die Liaison von Framas und Adidas hält bis heute. Aber die Leistenproduktion macht nur noch einen Bruchteil des Jahresumsatzes von 150 Millionen Dollar aus. Framas fertigt in Spritzgusstechnik unter anderem Außensohlen von Fußballschuhen, Dämpfungselemente und Hinterkappen von Laufschuhen. Im Entwicklungszentrum nebenan experimentieren Designer und Ingenieure im Auftrag von Adidas – alles streng geheim.

„Die meisten Pirmasenser haben schon mal von Framas gehört, aber kaum einer weiß, was wirklich dahintersteckt“, sagt Schmidt. Er kennt das Unternehmen in- und auswendig. Seit zehn Jahren arbeitet er hier – ein Drittel seines Lebens. „Ich habe als Schuhleistenmodelleur angefangen, mich immer weitergebildet.“

Schmidt sieht seinen Werdegang auch als Modell für Pirmasens. „Wenn man engagiert ist, kommt man in jedem Feld so weit.“ Die Hälfte des Jahres ist er auf Reisen, kehrt aber immer gern zurück nach Pirmasens. Das ewige Klagen kann er nicht nachvollziehen, Jobs gebe es in der Schuhbranche genug, nur eben keine mehr für Ungelernte.

Framas hat gerade wieder einen Schüler der Pirmasenser Schuhfachschule unter Vertrag genommen, noch bevor der überhaupt seinen Abschluss gemacht hat. Im August fängt er an.